Holger Hof (Hrsg.): Gottfried Benn - Ernst Jünger, Briefwechsel 1949-1956. Stuttgart, Klett-Cotta 2006.
In: Macondo 16, Bochum, Dezember 2006.
"Lieber Kamerad Benn"
Wer die komplette Veröffentlichung der Korrespondenz zwischen Ernst Jünger und Gottfried Benn mit Spannung erwartet hat, wird ernüchtert. In diesem Austausch von wenigen Briefen, Postkarten und Widmungen sieht man zwei Prominenten dabei zu, wie sie einigermaßen froh sind, sich nach dem Weltuntergang von 1933-45 on speaking terms zu finden. Sie mögen nichts kaputtmachen und hinterlassen gerne noch ein bisschen gemeinsames Material für ihre Biografen. Beide zeigen sich amüsiert darüber, von einigen Intellektuellen als geistig Verwandte erklärt zu werden, sie stänkern gegen ihre Stänkerer, sie betonen, es gefalle ihnen jeweils an der Ostsee oder am Mittelmeer gar nicht so übel und lassen die jeweiligen Gemahlinnen grüßen.
Jünger verharrt im Grunde auf einem veralteten, expressionistischen Benn-Bild. Er, der im Vergleich zu Benn das reinste Jet-Set-Leben führt und vorführt, lädt Benn zu einer LSD-Party ein, mehr noch: "Wir sollten uns auch einmal über Mescalin unterhalten". Benn lehnt das etwas jünglingshafte Antörn-Angebot kurzbündig ab, denn "ausser Cafe und Cigaretten brauche ich keine Stimulantien." Jünger antwortet, er selbst rauche keine Zigaretten, und zwar deshalb, damit die härteren Drogen umso besser anschlügen.
Ansonsten bietet der Band eine selbst für Jünger- oder Benn-Anhänger dürftige Ausbeute und ist eher zum Komplettieren einer Sammlung nötig. Sieben Jahre lang sind beide vorsichtig umeinander bemüht und tun im Grunde das, was die Nachwelt bereits kennt und erwartet - doch backstage wird gerangelt. Substanziell und interessant ist daher der Anmerkungsteil, der ebenso viel Platz einnimmt wie der Textteil. Die Informationen zur zeitlichen Einordnung und zum Tratsch hinter den Kulissen sind sauber herausgearbeitet. Benns Berichte an seine anderen Korrespondenten über den Jüngerschen Briefwechsel und das einzige Treffen 1952 in Berlin-Schöneberg stehen quer (weil privat) zu den (literaturbetrieblichen) Versuchen Jüngers, mäßigend auf seinen damaligen Schüler Gerhard Nebel einzuwirken, der eine hysterische Attacke gegen Benn reiten zu müssen glaubte. Benn und Jünger konnten, wie der Herausgeber Holger Hof im Nachwort lakonisch ausführt, letztlich nicht viel miteinander anfangen. Auf dem Cover schauen die Porträts der Autoren in zwei verschiedene Richtungen. |
▲ Macondo 16 (2006)
▲ Briefwechsel Gottfried Benn - Ernst Jünger (2006)
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