Pressestimmen
Porträts, Sonstiges

 

Frank Keil in taz Hamburg vom 17.12.1999:

Mut hat der Mann: erwählt zum Thema seines ersten Romans ausgerechnet den Wechsel dieses Jahrtausends ins nächste. Und riskiert dabei, dass sein Buch spätestens am 2. Januar als unaktuell in der Versenkung verschwindet. Doch hat dieses Vorgehen seinen Vorteil: Marcus Jensen belastet seinen ersten Wurf eben nicht damit, gleich ein bedeutendes Werk deutscher Gegenwartsliteratur abliefern zu müssen, vor dem wir andächtig erschauern. Denn das - das wissen wir - gelingt nur den Allerwenigsten. Stattdessen ist hier einer dabei, sich seinen literarischen Weg Schritt für Schritt zu ebnen. Wir werden von ihm noch mehr lesen, es wird sich lohnen, seinen Werdegang zu verfolgen. (...) Dass dies alles mit recht leichter Hand gelingt, wie geschickt ineinander montiert innerer Monolog und äußeres Chaos für echte Heiterkeit sorgen, dass dies gelang, dürfte mit an Jensens literarischer Ausbildung liegen. Mitte der Neunziger tauchte er als junger Student im Eimsbüttler "Literaturlabor" auf, einer kulturellen Einrichtung, das damals etwas praktizierte, was heute jeder Literaturinteressierte unter dem Schlagwort 'creative writing' kennt. Nur hieß es etwas piefiger: Schreibwerkstatt. Unter Leitung der Lyrikerin Frederike Frei wurden Texte ihrer biografischen Sentimentalitäten entledigt und auf das zurückgeführt, was sie sind: Ansammlungen von Wörtern und Sätzen, deren Innenleben kennenzulernen und deren Gesetze es zu beherrschen gilt. Kleine Brötchen backen, war die Devise. Nicht gleich - und erst recht nicht mit Anfang zwanzig - das Lebenswerk in Angriff nehmen. Jensen ist diesem Grundgedanken treu geblieben. Für das Hauptwerk ist immer noch genug Zeit.

Katja Möhrle in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.12.1999:

[Lesung aus Red Rain in der Frankfurter U-Bar, bzw. Club U60311]

Wie ein Fremdkörper wirkt da jener schmächtige junge Mann, der jetzt am Tresen lehnt. Blasses, schmallippiges Gesicht, ernster Blick; dazu eine Art Kellner-Kombination aus weißem Hemd und schwarzer Hose. Zwei offene Knöpfe geben den bleichen, glatten Brustansatz des Autors einer gelungenen Satire auf die Millennium-Hysterie einer sinnentleerten Gesellschaft frei. Rein äußerlich hätte der Held (...) wesentlich besser ins kühle Ambiente der ehemaligen Fußgänger-Unterführung gepasst als sein Schöpfer. Doch Jensen verblüfft. Kaum hat er seinen Platz hinter dem Stehpult eingenommen und das Buch aufgeschlagen, taucht er in die vielstimmige Partitur seiner Geschichte ein und schlüpft in die Rollen der unterschiedlichen Sprecher: Spöttisch rau und sarkastisch klingt der Ich-Erzähler, der sich durch Schminke und Büffellederhose in den indianischen Schamanen Red Rain verwandelt; samtweich und steril tönt die Lautsprecheransage am Flughafen. Der Schwule vor der Toilettentür quakt jammernd und flehend in die gedanklichen Monologe des vermeintlichen Indianers hinein. Dazwischen mischt Jensen Esoterikgeschwätz und Indianerlaute.  (...) Tatsächlich hat Jensen dem vordergründig witzigen, locker geschriebenen Band ein kompliziertes gedankliches und sprachliches Gerüst unterlegt. Jede Stimme, die sich in den atemlosen Erzählfluss des Indianerdarstellers drängt, verfügt über eine eigene Diktion.

N.N. in Aachener Zeitung vom 18.8.2001:

Ebenso wie Silke Andrea Schuemmer nimmt er mit seinem literarischen Ausflug auf den Lousberg Abschied von den Aachenern. Aber nicht von seiner Kollegin und Freundin: Wie die junge Lyrikerin nämlich zieht Marcus Jensen in Kürze nach Berlin, wie sie - und mit ihr - will er sein Glück an den Ufern der Spree finden. Das war dem gebürtigen Pinneberger, den es vor zwei Jahren von der Waterkant an die Wurm verschlug, indes auch in der Vergangenheit schon hold. (...) Auf dem Lousberg liest Jensen aus dem zweiten Teil seines jüngsten Romanprojekts Oberland, das als weitere unfänglichere Veröffentlichung demnächst auf den Erzählband Red Rain, erschienen 1999 in der renommierten Frankfurter Verlagsanstalt, folgen soll. Kenner des lauschigen Lesereigens zwischen den Säulen dürften sich erinnern: Bereits im vergangenen Jahr präsentierte Jensen erste Passagen aus dem Kleinstadt-Epos, das von den Erlebnissen eines Jugendlichen in einem etwas verschlafenen Ort bei Hamburg erzählt ... Der junge Literat darf also hoffen, dass die Aachener ihm auch mit der Fortsetzung einen warmen Empfang - und Abschied - bereiten.

Antonia Kurz in Stuttgarter Nachrichten vom 20.3.2008:

Red Rain blieb in den Regalen der Buchhandlungen liegen. Marcus Jensen lernte, dass gute Kritiken nicht automatisch gute Verkaufszahlen bedeuten. "Die bringen manchmal gar nichts", sagt er gleichmütig. (...) Marcus Jensen sitzt in einem kleinen Zimmer im dritten Stock des Schriftstellerhauses Stuttgart. Hinter ihm leuchtet bläulich der Bildschirm des Laptops. Verkehrslärm dringt vom Charlottenplatz herauf. Seit Januar und noch bis Ende März ist der sonst in Berlin lebende Marcus Jensen Stipendiat im Schriftstellerhaus. Die Geschichte von Red Rain wiederholte sich mit Oberland. Jensen schrieb 13 Jahre an dem Roman, er erschien 2004, dick wie ein Ziegelstein. (...) Das Buch - eine komplizierte Erzählung einer Kindheit und Jugend in Deutschland - ist keine leichte Kost, so bestehen zum Beispiel einige Seiten nur aus merkwürdigen Kurz-Dialogen ohne Erzählinstanz. Marcus Jensen macht trotzdem weiter. Genau so. Er möchte nicht spekulieren, was viele Leser anlocken könnte. "Ich sitze am Schreibtisch und investiere meine Lebenszeit. Ich könnte nichts schreiben, von dem ich nicht überzeugt bin." Deshalb ist auch das dritte Buch - an dem er gerade arbeitet - keine "zurzeit angesagte Familiengeschichte". (...) Auch mit Stipendien wie dem im Schriftstellerhaus finanziert Marcus Jensen, 40, sein Schreiben. Er mag die Frage danach nicht besonders, aber das Leben als Schriftsteller und freier Lektor bezeichnet er als "knochenhart". Er sei frei wie ein Vogel, sagt er. Es klingt nicht romantisch. (...) Jensen, der Germanistik studiert hat, würde das Leben als freier Schriftsteller gegen die Sicherheit eines festen Jobs eintauschen, aber es habe sich nicht ergeben. (...) Er hofft. Hofft und schreibt. Und er wird immer wieder auch bestätigt. Im vergangenen Jahr etwa vergab der Deutsche Literaturfonds ein Stipendium an ihn. Zehn Wochen New York. Ohne Bewerbung. Die Zusage lag im Briefkasten. Einfach so.